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Die Gründerjahre

Groß Köriser Geschichte(n)
Groß Köriser Gründerjahre
Verfasser: Friedmar John
Wenn wir von Gründerjahren sprechen, so haben wir die Zeit um, insbesondere aber die ersten
Jahrzehnte nach 1900 im Auge, in denen sich Groß Köris von Grund auf veränderte. Nachdem 1866 die Eisenbahnstrecke Berlin – Görlitz eröffnet war, wurde 1897 der Bahnhof Groß Köris eingeweiht. Bereits ein Jahr vorher war die Chaussee, die Teupitz mit der heutigen B 179 verbindet, dem Verkehr übergeben worden. Damit erhielt Groß Köris mit einer befestigten Straße Anschluss an das deutsche Straßennetz. Die Bedeutung dieser neuen Verkehrswege für die Entwicklung des Ortes kann nicht hoch genug bewertet werden. Im Gefolge dieser neuen Verkehrsanbindungen veränderte sich der gesamte Ort grundlegend.
Ein neuer Ortsteil entsteht
Auf dem bis dahin bewaldeten Gelände zwischen der Zugbrücke und dem Bahnhof entwickelte sich ein neuer Ortsteil. Mit der Ansiedlung neuer Bürger entstanden die Chausseestraße (heute Berliner Straße), die Bahnhofstraße (heute Seebadstraße) und die Villenstraße (heute Landhausstraße). Etwas später kamen noch die Kirchstraße (heute Teil der Lindenstraße) und die Schützenstraße dazu. Hier siedelten sich Gewerbetreibende, Arbeiter, Angestellte, Beamte (meist Bahnbeamte), aber auch Rentner und Privatiers an. Besonders stark war die Ansiedlung neuer Bewohner in der Chausseestraße und in der Nähe des Bahnhofs. Stellvertretend seien folgende Gewerbetreibende genannt, die um oder kurz nach 1900 hier sesshaft wurden:
Schneidermeister Paul Röhle, ließ sich in der Chausseestraße nieder. Er fertigte „elegante Herren- und Damengarderobe nach neuester Mode“ an.
Schmiedemeister Karl Zander eröffnete in der Chausseestraße eine Schmiedewerkstatt.
Dachdeckermeister Eichler (später Schäffer) ließ sich 1905 in der Bahnhofstraße nieder.
Johannes Spigalski eröffnete gleich neben der Zugbrücke ein Friseurgeschäft.
Wilhelm Thieke gründete in der Kirchstraße eine „Bäckerei und Kolonialwarenhandlung“.
Paul Franke eröffnete 1909 eine Kunst- und Bauschlosserei in der Chausseestraße.
Heinrich Munzel (später Schadly) gründete 1912 eine Bau- und Möbeltischlerei in der
Chausseestraße. Später verlegte er sein Unternehmen in die Bahnhofstraße.
Franz Brajeska baute nach 1919 eine Armaturenfabrik auf dem Gelände neben dem Güterbahnhof.
1921 wurde auf dem Gelände des heutigen Mucher Platzes die „Elektrizitätsgenossenschaft – Süd Teltow, e. Genossenschaft m.b.H.“ gegründet. Durch sie erfolgte die Elektrifizierung des Ortes.
Emil Woblick eröffnete 1923 ein Bauunternehmen in Löpten, das er 1927 nach Groß Köris verlegte.
Im Einwohnerverzeichnis wird ausgewiesen, dass es 1925 in Groß Köris einen Zahnarzt gab. Richard v. Hünersdorf hatte sich in der Bahnhofstraße 20 niedergelassen.
Belegt ist, dass es 1931 in Groß Köris einen praktischen Arzt gab. Die Praxis von Dr. Carl
Rosenhagen befand sich in der Chausseestraße 12a (heute Berliner Straße 88).
Eine „Posthülfsstelle“ gab es seit 1889. Im Zusammenhang mit der Eröffnung des Bahnhofs 1897 wurde sie in eine „Postagentur“ und diese 1914 in ein Postamt III. Klasse (mit der Bezeichnung „Kaiserliches Postamt“) umgewandelt.
Die Archivunterlagen weisen aus, dass die Sparkasse des Kreises Teltow im Jahr 1925 eine
Nebenstelle in Groß Köris hatte. Sparkasse und Post befanden sich damals im gleichen Gebäude in der Chausseestraße. Der Leiter des Postamtes leitete auch die Sparkasse.
In den Jahren 1897 bis 1910 entstanden in dem neuen Ortsteil 5 Gaststätten: 1897 die
Bahnhofsgaststätte, um 1900 die Gaststätte „Zur Eisenbahn“ (später „Alfredo“), 1903 das Hotel
„Seechlößchen“, 1906 die Gaststätte „Concordia“ (später “Schützenhaus“ und „Clubgaststätte“) und 1910 die Gaststätte „Am Bahnhof“ („Zur Hopfenblüte“).
Rückblickend lässt sich feststellen, dass die Entwicklung des neuen Ortsteiles recht zügig verlief. Die meisten gewerblichen Ansiedlungen gab es in der Chausseestraße, die sich von Anbeginn zu einer Art „Geschäftsstraße“ entwickelte. Im Unterschied zum alten bäuerlichen Straßendorf hatte der neue Ortsteil einen vielleicht etwas städtischen Charakter. Der aufmerksame Betrachter wird den unterschiedlichen Charakter der beiden Ortsteile noch heute mühelos erkennen.

Besiedlung der Waldseen
Um die Jahrhundertwende begann die Besiedlung der Seen rund um den Ortskern. Es entstanden die heutigen Außenbezirke. Es war die Zeit, in der sich immer mehr wohlhabende Berliner Bürger (Unternehmer, Beamte, Künstler, Privatiers u.a.) in landschaftlich schönen Gegenden Sommerresidenzen oder repräsentative Wohnanlagen errichteten, um dort ihre Wochenenden zu verbringen oder ständig dort zu wohnen. Dieser Trend war nicht nur für Berlin, sondern – wenn auch differenziert – für ganz Deutschland charakteristisch.
Vorreiter in Groß Köris war der preußische Regierungsrat Wilhelm Ranke (der Bruder des Historikers Leopold v. Ranke), der sich als Unternehmer bereits im benachbarten Schwerin niedergelassen hatte. In Kenntnis des bevorstehenden Bahnbaues kaufte er 1857 auf dem Gelände nördlich des Zemminsees 408 Morgen Bauernland. Am Ufer des Sees baute er sich eine Villa. Wilhelm Ranke hat den Ortsteil Rankenheim gegründet.
Am großen Karbuschsee ließen sich die Künstlerfamilien Josef Kremo (1892), Sylvester Schäffer (1894) und Valentin Klein (1902) nieder und gründeten eine Künstlerkolonie. Dort erholten sie sich und bereiteten ihre Programme vor.
Albert Jäckel, Rentier aus Rixdorf, erwarb 1905 den Güldensee, an dessen Ufer er ein Landhaus baute.
Der Lehrer Wilhelm Lehmann aus Rixdorf kaufte 1906 das Grundstück rund um den kleinen
Roßkardtsee.
Der Kaufmann Emil Schröder aus Berlin-Schöneberg ließ sich 1913 am Südufer des Zemminsees nieder und baute auf dem weitläufigen Grundstück eine Villa (heute Berliner Str. 39).
Der Charlottenburger Unternehmer Heinrich Kutzner kaufte 1909 ein Grundstück am Südufer des Zemminsees (heute Berliner Straße 40). 1915 errichtete er darauf seine Prachtvilla, die durch ihre Außenarchitektur die Aufmerksamkeit noch heute auf sich zieht.
Der Berliner Kaufmann Otto Gelder kaufte 1914 ein Grundstück am großen Roßkardtsee und
errichtete eine Villa.
Mehrere Villen entstanden am Südufer des Schulzensees. Zu ihren Bauherren gehören der Berliner Unternehmer Carl Straus (der Vater des Botanikers Adolf Straus), der Berliner Kaufmann Otto Kuntze, der Berliner Bäckermeister Plazalski, der Berliner Lehrer Johannes Jahn, der Bierverleger Wilhelm Briesenick und der Berliner Kaufmann Hermann Pielartz. Als Zufahrtsstraße zu diesen Villen entstand die Villenstraße.
Charakteristisch für die Besiedlung der Außenbezirke war, dass es sich um große Grundstücke und repräsentative Landhäuser handelte, die großzügig angelegt und modern ausgestattet waren. Zum Teilwurden die an die Grundstücke angrenzenden Seen mit erworben (so z.B. der große Karbuschsee, der Güldensee, der große und der kleine Roßkardtsee).
Auch der alte Ortskern veränderte sich.
Auch hier ließen sich Gewerbetreibende nieder, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie im neuen
Ortsteil. 1887 eröffnete Robert Rößler in der Hauptstraße (heute Lindenstraße 41) ein Lebensmittelgeschäft. Um 1900 entstand die Gaststätte “Grüner Baum“. Marie Sanniter betrieb eine Posamentierhandlung und ein Schnittwarengeschäft in der Hauptstraße. Ebenfalls in der Hauptstraße war Paul Trusch als Schlächter tätig. Bis 1925 hatten sich im alten Ortskern insgesamt 10 Gewerbetreibende niedergelassen. Auch räumlich erweiterte sich der alte Ortskern. Durch Neubürger wurden die Pätzer Straße, die Sputendorfer Straße und die Motzener Straße mehr und mehr besiedelt. Schritt für Schritt veränderte der alte Ortskern sein Gesicht. Langsam, aber nicht zu übersehen, verschwanden immer mehr alte, strohgedeckte Katen und wurden durch massive Gebäude ersetzt. Auch zweistöckige Gebäude entstanden. Zu ihnen gehörte das Wohnhaus von August Grubert (heute Lindenstraße 56). Er war der Ortsvorsteher und einer der größten Bauern im Ort. Der Giebel seines Stallgebäudes mit den Initialen „A.G. 1899“ gibt das mutmaßliche Jahr des Umbaues an. Zweistöckig entstand nun auch das Gebäude der Gaststätte „Deutsches Haus“.
Zum neuen Gesicht des alten Ortskernes trug bei, dass die durch den Ort führende Dorf- oder
Hauptstraße (die bis dahin ein Sandweg war) gepflastert und zu beiden Seiten mit Linden bepflanzt wurde. Den Linden ist ihr 100-jähriges Alter inzwischen deutlich anzusehen. Die Umbenennung der Hauptstraße in Lindenstraße erfolgte allerdings erst 1936.
1901 wurde als Folge der wachsenden Einwohnerzahlen ein 2. Schulgebäude (neue Schule,
Schulstraße 4) gebaut. Fortan hatte der Ort 2 Schulen (und damit 2 Klassenräume) und 2 Lehrer. 
1916 bekam Groß Köris seine Kirche.
Das Bedürfnis nach einer eigenen Kirche wuchs mit der Entwicklung des Ortes und der Ansiedlung neuer Bürger. Ein gleiches Anliegen gab es in den Nachbargemeinden Klein Köris und Löpten  Die Verhandlungen zum Bau einer gemeinsamen Kirche für die drei Gemeinden begannen 1901/02. 1914 konnte mit dem Bau begonnen werden. 1916 wurde die evangelische Christus-Kirche eingeweiht. Im Zusammenhang mit dem Kirchenbau erhielt der Verbindungsweg zwischen dem Dorf und der neu gebauten Chaussee den Namen „Kirchstraße“. 1936 wurde die Kirchstraße (im Zusammenhang mit anderen Straßenumbenennungen) ein Teil der Lindenstraße.
In welchem Ausmaß der Bau der Eisenbahn auf die Entwicklung des Ortes wirkte, zeigt folgende
Gegenüberstellung: 1840 hatte Groß Köris 33 Wohnhäuser. 1910 waren es 117 und 1925 158. 1925 gab es in Groß Köris 37 Gewerbetreibende, 27 davon im neuen Ortsteil. Allein in der Chausseestraße hatten sich bis dahin 16 Gewerbetreibende niedergelassen. Bereits diese wenigen Zahlen zeigen den gewaltigen Schub, den Groß Köris in seiner Entwicklung erfahren hatte. Sie zeigen aber auch, dass sich das dörfliche Leben mehr und mehr in den neuen Ortsteil, und hier wiederum besonders in die Chausseestraße und in die Nähe des Bahnhofs verlagerte. Mehr noch: Der neue Ortsteil begann, sich immer mehr zum Zentrum des Ortes zu entwickeln. Diese Tendenz hat sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten fortgesetzt und hält bis zur Gegenwart an. Auch in jüngster Zeit sind für den Ort wichtige Institutionen im neuen Ortsteil, und hier ausnahmslos in der Berliner Straße, angesiedelt worden, so z.B. die neue Schule (1963), der Pennymarkt (1993), die Mehrzweckhalle (1998), die Star-
Großtankstelle (2000), das neue Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr (2005), das Seniorenheim
(2007).